Sehr geehrte Damen und Herren,
staatlich angeordnete Schließungen von Geschäften gelten künftig als Umstand, der zu einer Anpassung des Mietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage führen kann. Der Bundestag hat hier eine entsprechende Regelung beschlossen die wir Ihnen gerne nachfolgend näher erläutern.
1. Änderungen im Mietrecht durch Art. 240 § 7 EGBGB
“Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand i. S. d. § 313 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.“
Mit dieser Vorschrift sollen Verhandlungen zwischen Gewerbemietern und Eigentümern vereinfacht und die Position der Gewerbemieter gestärkt werden, wenn über die Auswirkungen und die Kostenverteilung aufgrund pandemiebedingter staatlicher Eingriffe in den Geschäftsbetrieb des Mieters mit dem Vermieter verhandelt wird.
2. Bisherige Rechtslage
Vor dem Erlass des Art. 240 § 7 EGBGB war es umstritten, ob öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse oder Beschränkungen zu einer Mietminderung berechtigen. Zwar war in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, dass auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse oder Beeinträchtigungen den vertragsgemäßen Gebrauch des Mietobjektes einschränken und zu einer Mietminderung führen können, das Risiko, das Mietobjekt tatsächlich zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können, lag jedoch ganz überwiegend beim Mieter.
Das führte im Ergebnis dazu, dass Mieter von Gewerberäumen weiterhin uneingeschränkt zur Zahlung der Miete verpflichtet waren, auch wenn sie die Räume aufgrund behördlich angeordneter Schließungen oder Einschränkungen nicht oder nicht vollständig nutzen konnten.
Ausgeschlossen war bisher allein die Kündigung des Mietverhältnisses, wenn der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete aufgrund von Auswirkungen der Covid-19-Pandemie keine Zahlungen leistete. Ein Anspruch auf die Miete an sich bestand bzw. besteht aber auch weiterhin, auch wenn auf die Nichtzahlung keine Kündigung gestützt werden kann. Mietern, die ihr Geschäft wegen Schließungs-anordnungen nicht mehr betreiben konnten, war damit also nicht wirklich geholfen. Das Mietmoratorium wurde ausdrücklich nicht über Juni 2020 verlängert.
3. Anpassung der Miete als Rechtsfolge des neuen Art. 240 § 7 EGBGB
Der Gesetzgeber hat dieses Problem nun aufgegriffen und mit dem Recht auf Anpassung des Mietvertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage aufgrund von staatlichen Covid-19-Maßnahmen in Art. 240 § 7 EGBGB für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse geregelt.
Danach wird vermutet, dass eine erhebliche Nutzungsbeschränkung infolge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellt. Mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist auch die Risikoverteilung hinfällig und stattdessen muss der Mietvertrag an die geänderte Situation angepasst werden.
Pandemiebedingte Schließungen oder Einschränkungen betreffen nun nicht mehr einseitig den Mieter, sondern die Auswirkungen und der Schaden sollen während der Pandemiezeit gemeinsam von Vermieter und Mieter als Gefahrengemeinschaft getragen werden.
Rechtsprechung und Literatur gehen im Grundsatz, wenn keine Besonderheiten des Einzelfalls entgegenstehen, von einer hälftigen Verteilung des Verwendungsrisikos aus. Die Miete wird damit auf die Hälfte bzw. 50 % angepasst.
Eine Mietanpassung um 50 % wird vor allem bei einer vollständigen Untersagung der Geschäftstätigkeit durch pandemiebedingte Maßnahmen anzunehmen sein.
Bei einer lediglich eingeschränkten Nutzbarkeit, wird dieses Verhältnis entsprechend angepasst werden müssen.
Bitte berücksichtigen Sie, dass ein Indiz für starke Beeinträchtigungen erheblich zurückgegangene Umsätze im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sein können. Letztlich kann es nur um die tatsächlich eingetretenen wirtschaftlichen Schäden auf Mieterseite gehen und damit im Ergebnis um die individuelle Betroffenheit aufgrund der Schließung bzw. Beeinträchtigung.
Wir rechnen daher damit, dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen und ersparte Aufwendungen aufgrund der Schließungen berücksichtigt werden. Das Gesetz macht hierzu zwar keine konkreten Vorgaben. Aber nur wenn auch die konkrete finanzielle Betroffenheit beider Vertragsteile berücksichtigt wird, kann die vom Gesetz geforderte Vertragsanpassung an die geänderten Umstände sachgerecht umgesetzt werden.
Je nach Einzelfall muss geprüft werden, inwiefern eine Anpassung der Miete gerechtfertigt ist. Das Gesetz gilt rückwirkend auch für Zeiten pandemiebedingter Schließungen ab März 2020.
4. Wem nutzt die neue Gesetzeslage?
Das Gesetz richtet sich vor allem an Betriebe, welche durch staatliche Maßnahmen vollständig oder teilweise geschlossen sind. Staatliche Anordnungen an betroffene Unternehmen zur vollständigen oder teilweisen Schließung sind also zweifellos erfasst.
Nicht unter die gesetzliche Regelung fällt beispielsweise, wenn bei einem Betrieb mit Publikumsverkehr die Kundschaft allein wegen sinkender Konsumbereitschaft ausbleibt, der Betrieb aber im Übrigen weiter geöffnet bleiben darf.
Es sind auch Konstellationen denkbar, in denen der Mieter nicht von Schließungen betroffen ist, aber dennoch aufgrund der Gesamtumstände durch die Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung das Mietobjekt nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen verwendbar ist. Ob in derartigen Fällen Ansprüche bestehen, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern muss stets im Einzelfall geprüft werden.
5. Was gilt für Ärzte mit gemieteten Praxisflächen?
Ärzte und andere Heilberufler waren nicht direkt von den staatlichen Maßnahmen und Schließungen betroffen. Grundsätzlich fallen diese daher nicht in den Anwendungs-bereich des Gesetzes. Der allgemeine Rückgang des Patientenaufkommens aufgrund der Corona-Pandemie führt nach der Gesetzesbegründung ebenfalls nicht zur Anwendbarkeit des Gesetzes.
Das Gesetz kann für Ärzte mit gemieteten Praxisräumen daher allenfalls Anwendung finden, wenn die staatlichen Eingriffe mittelbar zu einer eingeschränkten Verwendbarkeit des Mietobjekts führen. Dass sich aufgrund neuer Vorschriften weniger Patienten in den Praxisräumen aufhalten dürfen oder spezielle Hygienemaßnahmen eingehalten werden müssen, dürfte für eine Anpassung der Miete nicht ausreichend sein.
Allenfalls in Ausnahmesituationen kann dann nach dem Gesetz eine Anpassung des Mietvertrags verlangt werden.
6. Praxishinweise
Bei allen betroffenen Mietverhältnissen ist eine für den Mieter und Vermieter wirtschaftlich tragbare und interessengerechte Vertragsanpassung anzustreben. Der gesetzliche Rückenwind dürfte entsprechende außergerichtliche Verhandlungen befördern.
Die Miete wird nicht automatisch durch das Gesetz gemindert, sondern es ist die Initiative des Mieters erforderlich.
Mieten sollten nur noch unter dem Vorbehalt der zukünftigen Rückzahlung bezahlt werden.
Bei den Verhandlungen ist zu berücksichtigen, inwieweit die Verwendbarkeit tatsächlich eingeschränkt war und Umsatzeinbußen eingetreten sind.
Es handelt sich um eine neue gesetzliche Regelung und damit verbundene hohe Unsicherheit über deren Auslegung und den Ausgang von gerichtlichen Rechtsstreitigkeiten.
Es sollten daher außergerichtliche Einigungen angestrebt werden.
Bei Rückfragen hierzu stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung! Über unsere Zentrale, Tel.+49 (0) 8823/8754 wird Ihr Anliegen direkt an unsere Expertinnen und Experten weitergegeben.
Sprechen Sie uns gerne an und – bleiben Sie gesund!
Ihre Kanzlei dr.schauer und margraf